31. Januar 2014

Nachrichten aus der DGAV im Januar 2014

Liebe Frau Kollegin,
lieber Herr Kollege,

zu Beginn des Jahres 2013 habe ich Ihnen in meiner ersten Mitteilung geschrieben, was mir besonders für das Jahr auf dem Herzen lag. Auch in 2014 möchte ich Ihnen mein Herzensanliegen übermitteln:

Qualität in der Medizin

Die Öffentlichkeit, die Politik, die Medien diskutieren seit einigen Jahren vermehrt über die Qualität und ihre Erfassung in der Medizin. Nach meinem Eindruck hat sich dieses Interesse aufgrund bekannter Vorkommnisse im letzten Jahr noch deutlich verstärkt.
Die AOK hat ihren AOK-Krankenhausnavigator ins Netz gestellt und verteilt Bäumchen für die einzelnen Kliniken bei der Cholezystektomie. Bewertungskriterien sind hier z.B. Bluttransfusion, Tod oder auch noch die Wiederaufnahme des Patienten. 
Der Navigator soll einen bundesweiten Überblick über das Leistungsangebot von Kliniken bieten und Orientierungshilfe leisten (www.aok-krankenhausnavigator.de). 
Schon fragt die „Frankfurter Rundschau“ bei einem Kollegen im Frankfurter Umland nach, wie die „Bäumchenqualität“ in seiner Klinik sei. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist erst der Anfang!
Von Risikoadjustierung findet sich natürlich kein Wort.

Die öffentliche Diskussion mit der Forderung nach Qualität und Transparenz hat schließlich ihren Niederschlag im Koalitionsvertrag der jetzigen Bundesregierung gefunden.

Ausführliche Zusammenfassung des Koalitionsvertrages, DGAV-Mitteilung vom 09.12.2013:
Die sektorenübergreifende Qualitätssicherung mit Routinedaten wird ausgebaut. Wir werden gesetzlich ein Institut begründen, das dauerhaft und unabhängig die Qualität der ambulanten und stationären Versorgung ermittelt. ….. Die gesetzlichen Krankenkassen werden verpflichtet, dem Institut geeignete pseudonymisierte Routinedaten zur Verfügung zu stellen.

Gute Qualität muss sich für die Krankenhäuser auch finanziell lohnen. … Leistungen mit nachgewiesen hoher Qualität können von Mehrleistungsabschlägen ausgenommen werden, für besonders gute Qualität sind Zuschläge möglich. Umgekehrt sollen bei unterdurchschnittlicher Qualität für einzelne Leistungen auch höhere Abschläge möglich sein. Die Qualität soll dabei risikoadjustiert und anhand wesentlicher Indikatoren gemessen werden. …

In dem neu zu gründenden Qualitätsinstitut werden sektorenübergreifend Routinedaten gesammelt, ausgewertet und einrichtungsbezogen veröffentlicht. …

Wir müssen uns also darauf einstellen, dass früher oder später die Qualitätserfassung mit der entsprechenden Transparenz gesetzlich festgeschrieben wird.

Der Höhepunkt dieser ganzen Diskussion war natürlich der AOK-Krankenhausreport 2014. Die FAS schreibt am 26.01.2014: „… Schnell liest man aus dem Bericht heraus, dass besonders die Chirurgen am Pranger stehen. In ihrem Fachbereich sollen die meisten Fehler passieren."

Alle diese Vorgänge und Ereignisse zeigen bzw. beweisen, es wird höchste Zeit, dass wir Chirurgen uns intensiv um unsere Qualität und deren Erfassung kümmern.

Wir Allgemein- und Viszeralchirurgen dürfen nicht länger die Augen vor dieser Problematik verschließen. Wir müssen uns von dem Gedanken lösen „wir helfen aufopferungsvoll Tag und Nacht in einer engen persönlichen Arzt-Patienten-Beziehung unseren Mitmenschen, daher ist es ein Sakrileg, uns zu kritisieren“.

Unsere aufgeschlossene, aufgeklärte und „moderne“ Gesellschaft wie die deutsche sieht zwar immer noch den Arztberuf, insbesondere den Chirurgen, als sehr vertrauenswürdig an, aber dennoch verlangt sie von uns eine nachprüfbare Qualität und Transparenz.

Was liegt mir nun am Herzen?

  • Wenn wir Allgemein- und Viszeralchirurgen nicht wollen, dass uns ein Erfassungsregister irgendeiner Institution übergestülpt wird, welches viel administrative Arbeit von uns verlangt,
  • wenn wir nicht wollen, dass oberflächliche Daten von Krankenkassen mit irgendwelchen Bäumchen unsere Qualität beurteilen,
  • wenn wir nicht wollen, dass ohne Berücksichtigung der Risiken über unsere Ergebnisse geredet wird,
  • und nur Außenstehende auf so genannten Qualitätskongressen über unsere Qualität diskutieren,

wenn wir all das nicht wollen, müssen wir agieren und aktiv unsere Zukunft gestalten. 
Dann müssen wir unsere Daten in die Register unserer Fachgesellschaft DGAV eingeben.

Unsere Register zeichnen sich doch dadurch aus, dass wir risikoadjustiert die chirurgischen Ergebnisse erfassen, und nur die Berücksichtigung der vom Patienten mitgebrachten Risiken bzw. Morbiditäten lassen eine Aussage über unsere chirurgische Qualität zu. Und gute Qualität bedeutet auch gleichzeitig Patientensicherheit.

Wir werden im zukünftig zu schaffenden Institut für Qualitätssicherung nur Gehör finden, wenn wir selbst Ideen und Zahlen vorlegen können. Wir müssen alle Fälle und Operationen erfassen, die für Ihre eigene Abteilung von Wichtigkeit und Bedeutung sind. 
Das Verfassen von Stellungnahmen wird nicht ausreichen, wenn wir nicht beeindruckende Zahlen vorlegen können.

Ich kann daher nur an Sie alle sehr eindrücklich appellieren, schaffen wir eigene Zahlen und geben Sie Ihre Patienten in die StuDoQ-Register der DGAV ein. 
Lassen Sie uns dieses Mal gemeinsam agieren und nicht reagieren müssen.

Mit diesem ernsten und eindringlichen Appell grüße ich Sie herzlich aus Berlin

Ihr 

Prof. Dr. med. H. J. Buhr
Sekretär