25. Mai 2016

Save a life day am 25.5.2016 - Pressemappe zum nationalen Aktionstag Adipositas

Die Prävalenz des krankhaften Übergewichts (Adipositas) und des damit assoziierten kardio-metabolischen Syndroms nimmt seit Jahrzehnten weltweit dramatisch zu. Effektive Präventionsprogramme gibt es noch nicht, so dass von ärztlicher Seite die zentrale Aufgabe in der Behandlung der Erkrankten liegt. Viele Ärzte engagieren sich im Aufbau von medizinischen Versorgungsstrukturen in Deutschland (Adipositaszentren) und fordern dafür eine adäquate finanzielle Ausstattung. Ein Kernpunkt ihrer Forderungen ist die Abschaffung der Einzelgenehmigung für adipositaschirurgische Eingriffe, wenn diese leitliniengerecht und qualitätsgesichert durchgeführt werden. Denn die Genehmigungs-Praxis der Krankenkassen ist regional unterschiedlich, nicht nachvollziehbar und sozial ungerecht. Anlässlich des Europäischen Obesity Day soll mit dem bundesweiten Save-A-Life-Tag der deutschen Öffentlichkeit die medizinischen Unterversorgung von Adipositas-Kranken in unserem Lande nachdrücklich aufgezeigt werden.

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Presseinformation: Nationaler Aktionstag Adipositas „save a life day“ am Mittwoch den 25.5.2016

Die Adipositas gehört zu den größten Epidemien des 21. Jahrhunderts und stellt unsere Gesellschaft und im Besonderen  unser Gesundheitssystem vor riesige Probleme.

In Europa hat sich die Zahl der übergewichtigen Menschen in den letzten 30 Jahren verdreifacht und nach aktuellen Hochrechnungen werden im Jahre 2030 über 50 % der Europäer übergewichtig sein. Es besteht leider in der Bevölkerung, aber auch bei einem Teil der Betroffenen, ein Informationsdefizit für den Zusammenhang zwischen Adipositas und den schwerwiegenden Folgeerkrankungen. Das Verständnis der Adipositas als komplexe und chronische Erkrankung muss deshalb vor allem in Deutschland erhöht werden, denn das Wissen über Adipositas und den engen Zusammenhang mit der Entstehung von Diabetes, Bluthochdruck, Schlafapnoe und Entstehung von Krebserkrankungen ist noch zu gering!

Deshalb ist ein nationaler Aktionstag dringend geboten!

Vor der eigentlichen Behandlung stehen Aufklärungskampagnen und Präventionsmaßnahmen, denn mit zunehmender Dauer und Ausprägung der Adipositas wird die Therapie schwieriger und teurer. Überschreitet die Körperfettmasse ein kritisches Maß, ist der Krankheitswert durchaus der einer Krebserkrankung gleichzusetzten, wobei diese als unverschuldete Erkrankung wahrgenommen wird. Hingegen ist die krankhafte Adipositas stigmatisiert und mit geringer gesellschaftlicher Akzeptanz behaftet. Dies hat für Patienten oft einen sozialen Rückzug, verbunden mit einer erhöhten Inzidenz an psychologischen Erkrankungen zur Folge.

Diese und viele weitere wissenschaftlich bewiesene Faktoren haben in der von der Arbeitsgemeinschaft Adipositaschirurgie (CAADIP) der Deutschen Gesellschaft für Allgemein und Viszeralchirurgie (DGAV) erstellten  AWMF S3 Leitlinien Eingang gefunden. Das hier aufgezeigte Stufenkonzept zur Behandlung der Adipositas kann aber nur nachhaltige Wirkung erzielen, wenn eine Umsetzung auf breiter Front möglich wird!

Dies ist mit dem Stand heute allerdings nicht der Fall - warum nicht?

Leitliniengerecht müssten Patienten mit einem Bodymassindex (BMI) ab 35 bei vorliegenden relevanten Folgeerkrankungen (z.B. Diabetes) und ab einem BMI von 40 nach Ausschöpfung der konservativen Therapiemöglichkeiten einer Operation zugeführt werden. Die oft geforderte „multimodale“ Therapie, also die Einbeziehung von Ernährungstherapie, Bewegungstherapie und psychologischer Beratung/Evaluation unter ärztlicher Betreuung über eine Dauer von 6 Monaten ist jedoch das erste „Nadelöhr“ in diesem Prozess. Viele Patienten haben keinen Zugang zu einer konservativen Therapie und können sich daher auch in keiner Weise für einen späteren, leitliniengerechten, chirurgischen Eingriff qualifizieren. Derzeit kann der Hausarzt den Patienten nicht  flächendeckend in eine Schwerpunktpraxis überweisen  und  es stehen keine multimodalen Konzepte mit ausreichender Kapazität als Kassenleistung zur Verfügung. Sind solche Programme vorhanden,  können sie nur unter Zuzahlung durch den Patienten besucht werden.

So verwundert es nicht, dass in Deutschland trotz seiner sehr hohen Prävalenz der schweren Adipositas nur eine vergleichsweise geringe Anzahl an adipositaschirurgischen Operationen durchgeführt wird. Deutlich unter dem europäischen Durschnitt von 18 Operationen werden hierzulande lediglich ca. 12 Operationen pro 100 000 Einwohner durchgeführt, im angrenzenden Belgien z.B. 10-mal so viel.

Warum dieses zweite Nadelöhr in der Therapie?

Die rechtlich nicht vorgegebene, aber gängige Regel der Einzelfallbewertung vor Erteilung der individuellen Kostenübernahme durch die Krankenkassen hat mit zu diesem sehr erschwerten Zugang zur nachweislich effektivsten Therapie der schweren Adipositas geführt. Selbst leitliniengerechte Indikationen werden nicht selten von den Kostenträgern abgelehnt.

Verschlimmert und unverständlicher wird die Situation für Patienten und die behandelnden Ärzte durch die Tatsache, dass regional sehr große Unterschiede in der Bewertung durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen bestehen. So schwankt die Anzahl der durchgeführten Eingriffe pro 100 000 Einwohner zwischen 3 (Saarland) und 48 (Berlin). Obwohl die Inzidenz der schweren Adipositas ähnlich verteilt ist.

Dies hat bereits dazu geführt, dass Patienten nicht operiert werden konnten und an ihren Nebenerkrankungen verstorben sind! 

Deshalb ist es an der Zeit für einen Nationalen Aktionstag: „save a life day“

Was wir erreichen wollen:

  • Mehr Information zu der Epidemie Adipositas und ihrer gesundheitlichen Gefahr
  • „Entstigmatisierung“ von adipösen Menschen
  • Informationen zur leitliniengerechten Stufentherapie
  • Kostenfreier Zugang zur konservativen multimodalen Therapie
  • Begutachtung von Operationsindikationen durch den MDK nur noch, wenn nicht leitliniengerechte Anträge vorliegen

Was wir am Aktionstag tun werden:

  • Bundesweit werden an den 43 zertifizierten Zentren für Adipositaschirurgie und in vielen anderen Kliniken Informationsveranstaltungen unter Einbeziehung von niedergelassenen Ernährungsmedizinern, Ernährungswissenschaftlern und Selbsthilfegruppen stattfinden
  • In vielen dieser Zentren werden an diesem Tag schwer adipöse Patienten operiert, die nach wissenschaftlich überprüften Leitlinien dringend einer Operation bedürfen, aber keine Kostenzusage erhalten haben.
  • Der Vorstand der CAADIP wir in einer überregionalen Informationskampagne bundesweit aktiv werden

 

Für den Vorstand der CAADIP

Prof. Dr. med. Dieter Birk