02. Februar 2015

Rundbrief der DGAV im Januar 2015

Qualität in der Medizin - warum ist dies für die Chirurgie so wichtig?

Liebe Frau Kollegin,
Lieber Herr Kollege,

in den letzten Jahren habe ich zu Beginn des Jahres ein Rundschreiben an Sie gerichtet. Dies möchte ich auch in diesem Jahr fortsetzen und Ihnen übermitteln, was unsere absolute Aufmerksamkeit verlangt.

Qualität in der Medizin

Die Diskussion über Qualität in der Medizin hat im letzten Jahr deutlich an Fahrt aufgenommen. Es ist ein ständiges Thema in der Öffentlichkeit, in der Politik und in den Medien, insbesondere nachdem es das Ziel dieser Koalitionsregierung ist, in dieser Wahlperiode die Qualität sektorenübergreifend zu verbessern. Das erstmals im Koalitionsvertrag geforderte und beschriebene Qualitätsinstitut ist gegründet. Seine offizielle Bezeichnung lautet: Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG). Herr Dr. Christof Veit, zuvor Geschäftsführer des Instituts für Qualität und Patientensicherheit (BQS), wurde zum Leiter bestellt.  

Weiterhin hat die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Krankenhausreform in ihrem Eckpunktepapier (s. DGAV-Rundschreiben vom 10.12.2014) detailliert Angaben zur Verbesserung und Sicherung der Qualität in der Medizin herausgearbeitet. Insbesondere wird festgehalten, welchen Einfluss Qualität in Zukunft auf die Krankenhausentwicklung und die Entlohnung haben wird. Dabei wird auch der Patientensicherheit und Qualitätsbeurteilung durch den Patienten größte Aufmerksamkeit gewidmet. Die Qualitätserfassung soll sektorenübergreifend geschehen. 

Was bedeutet dies alles für uns Chirurgen?

Es muss uns bewusst sein, dass in kaum einem anderen Fach oder medizinischen Leistung Ergebnisqualität so exakt definiert und gemessen werden kann wie in der Chirurgie. Wir müssen uns also intensiv mit diesen Fragestellungen der Gesundheitspolitik beschäftigen. Wir müssen Konzepte entwickeln, wie unsere Antworten auf Qualitätsmessungen und ihren Einfluss auf Entgelt, Belegungen etc. sind. Wir müssen soweit wie möglich unseren Einfluss geltend machen und wir müssen agieren und nicht reagieren.

Dies gilt auch für den AOK-Gesundheitsnavigator, der sich in unserem Fach mit der Cholezystektomie und Appendektomie befasst. Mit diesen aus DRG-Abrechnungen erfassten Routinedaten wird dann in den Medien Politik gemacht und Stimmungen erzeugt (siehe z.B. FAZ-Artikel vom 09.09.2014: Jede achte Blinddarmoperation macht Probleme).

Was stört mich an dem Navigator?

Es findet keine ausreichende, unserem Fach gerecht werdende Risikoerfassung statt. Nur eine Korrelation der präoperativen Morbidität mit den aufgetretenen inter- oder postoperativen Komplikationen lässt doch eine faire Beurteilung der chirurgischen Qualität bzw. einen Vergleich zwischen Kliniken zu. Außerdem sollte sich jeder einmal einen Überblick über die festgelegten Indikatoren verschaffen (z.B. Leberbiopsie wird als Komplikation gewertet) oder bei der 90-Tage-Erfassung wird die sektorenübergreifende Beurteilung durch den weiterbehandelnden Arzt hinzugezogen. Wenn hier z.B. die Diagnose „Post- Cholozystektomie-Syndrom“ eingetragen wird, schlägt das zur Beurteilung auf Ihr Konto. Wie ich nun zusätzlich erfahren habe, können diese Indikatoren noch von AOK-Verband zu AOK-Verband unterschiedlich zusammengestellt sein. Das heißt, Sie sollten bei Ihrem AOK-Landesverband diese unbedingt hinterfragen. 

Und noch ein weiterer Punkt:

Bezieht sich denn chirurgische Qualität ausschließlich auf den stationären Bereich, zeichnet sich chirurgische Qualität z.B. in der onkologischen Chirurgie nicht erst recht im Langzeitverlauf aus?

Wir Allgemein- und Viszeralchirurgen dürfen nicht länger die Augen vor den gesundheitspolitischen Entwicklungen für mehr Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen verschließen. Jeder von uns muss täglich unsere Argumente vorbringen und Überzeugungsarbeit leisten. 

Lange bevor der Begriff „Qualität in der Medizin“ in der Politik aufgetaucht ist, hat die DGAV bereits eine Qualitätsoffensive gestartet, die auf den drei Säulen beruht:

WeiFoQ – Weiterbildungs- und Fortbildungs-Qualitätszentrum

ZertiQ – Zertifizierungs- und Qualitätszentrum

StuDoQ – Studien-, Dokumentations- und Qualitätszentrum. 

Das heißt, wir haben gute Argumente in der Hand, dass chirurgische Qualität differenzierter betrachtet werden muss. 

Wenn wir aber nicht wollen, dass 

  • Qualitätsregister ausschließlich auf den herkömmlichen Routinedaten mit dem jetzigen ICD-10-Katalog erstellt werden
  • mit Bäumchen Stimmung gemacht wird
  • ohne Berücksichtigung der präoperativen Morbidität unsere chirurgische Qualität beurteilt wird,

dann müssen wir Chirurgen federführend beteiligt sein. 

Wir werden im Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) nur Gehör finden, wenn wir selbst Ideen und Zahlen vorlegen können. Je mehr Kliniken sich an unseren Registern beteiligen und ihre Fälle eingeben, umso mehr werden wir Berücksichtigung finden. Wir müssen beeindruckende Zahlen vorlegen können.

Ich kann daher nur an Sie alle sehr eindrücklich appellieren, schaffen wir eigene Zahlen und geben Sie Ihre Patienten in die StuDoQ-Register der DGAV ein.

Mit diesem Appell grüße ich Sie herzlich aus Berlin

Ihr

Prof. Dr. med. H. J. Buhr
Sekretär